André Derain
Landschaft bei Cassis, 1907/08
Aktuell nicht ausgestellt
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Öl auf Holz, 44,5 x 55 cm
Signiert unten links: a. Derain
Inv.-Nr. MB-Der-01
Mit Cassis wählte André Derain 1907 einen Ort aus, den bereits sein älterer Kollege Paul Signac gemalt hatte. Während der Pointillist sich auf die Bucht und das Meer konzentriert hatte, zeigte Derain den Ortsrand und fasste Signacs Motiv der roten Felsen der Bucht mit Pinien ein. Derain steigerte den Kontrast durch das flächige Schwarzblau und -grün der Bäume. Ihre Stämme rahmen und zergliedern die Szene gleichermaßen, das Auge des Betrachters springt zwischen den dunklen und hellen Partien des Bildes hin und her.
André Derain gilt als einer der wichtigsten Maler des Fauvismus – einer kurzlebigen Kunstströmung, die um 1903/04 in Frankreich aufkam und bis etwa 1910 andauerte. 1898/99 nahm Derain Unterricht bei dem Maler Eugène Carrière an der Pariser Académie Camillo, wo er die Bekanntschaft von Henri Matisse machte. Die Maler folgten den Spuren neoimpressionistischer Künstler wie Paul Signac und Henri-Edmond Cross, als sie im Sommer 1905 mehrere Wochen an der Côte d’Azur verbrachten. Unter dem Einfluss des südlichen Lichts verwendeten sie in ihren in Collioure entstandenen Landschaftsbildern grelle Reinfarben und erweiterten die pointillistische Bildsprache um kräftig konturierte, flächige Elemente. Noch im gleichen Jahr waren die Künstler mit je zehn und neun Arbeiten auf dem Salon d’Automne in Paris vertreten, die mit Werken von u. a. Albert Camoin und Maurice de Vlaminck im siebten Ausstellungssaal gezeigt wurden. Die neuartige Malweise mit ihrer grellen Farbgebung wurde zum Skandal. In einer Rezension vom 17. Oktober verglich der einflussreiche Kritiker Louis Vauxcelles die Künstler mit „wilden Tieren“ (frz. fauves), woraus sich der Titel der Bewegung ableitete.
In Derains Arbeiten von 1905/06 finden sich noch Anklänge an den Pointillismus. Allerdings löste sich der Künstler bald von der ihn kennzeichnenden Zergliederung der Malschicht, indem er mit klar konturierten, rhythmisch verwobenen Farbflächen arbeitete. Wie seinen fauvistischen Kollegen ging es ihm nicht um die Transkription einer momenthaften Impression, sondern um die expressive Umgestaltung der Natur gemäß seiner eigenen Vorstellungskraft. Entsprechend löste Derain die Farbe von deskriptiven Zwecken und verwendete sie frei im Dienst einer internen ornamentalen Bildlogik – ein radikaler Schritt in Richtung Abstraktion.
Im Sommer 1907 verbrachte Derain mehrere Wochen in der südfranzösischen Hafenstadt Cassis. Mit der Verschachtelung geometrischer Bildelemente und der auffälligen Reduktion hin zur Fläche spiegeln die dort entstandenen Bilder den Einfluss Paul Cézannes wider. So zeigt Landschaft bei Cassis eine Bildformel, die südlichen Kompositionen wie Cézannes L’Estaque, Blick durch die Bäume (1879, Privatsammlung) nahekommt. Auch hier fokussierte der Künstler einen von arabesken Baumstämmen umgrenzten Blick auf die zum Meer hin abfallende Siedlung und spielte die Kontraste zwischen dunkler Vegetation und hell leuchtenden Architekturelementen mit dekorativem Effekt aus. Neu ist die Überzeichnung des linearen Moments und die Intensität, mit der die Verflachung der einzelnen Bildelemente vorangetrieben ist – ein Vorgehen, das bereits die schematischen Bildwelten des analytischen Kubismus von Pablo Picasso und Georges Braque vorwegzunehmen scheint.
Daniel Zamani
Klassiker der Moderne. Liebermann, Munch, Nolde, Kandinsky, Museum Barberini, Potsdam, 23.1.–28.5.2017
Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner, Museum Barberini, Potsdam, vom 5.9.2020 an
La Grande Bleue. Schilders van de Méditerranée, Singer Laren, 12.9.2023–7.1.2024
o.D., Privatsammlung,
Belfort
o.D.,
Privatsammlung, Grenoble
o.D., Sir
Robert Barlow, Wendover, Buckinghamshire
o.D.,
Walter Goetz, Paris
o.D.,
Galerie Les Tourettes, Basel
1971, Privatsammlung,
Schweiz
März
2007, erworben aus Privatbesitz
Pierre Cabanne: André Derain, Paris 1990, S. 142, Abb. S. 47.
Michel Kellermann: André Derain. Catalogue raisonné de l'œuvre peint, Bd. 1, Paris 1992, Nr. 144, S. 90, Abb. S. 90.
Ortrud Westheider: Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner, Slg.-Kat. Museum Barberini, Potsdam 2020, S. 250, 265, Abb. S. 242, 265.
La Grande Bleue. Schilders van de Méditerranée, Ausst.-Kat. Singer Laren, Laren 2023, Abb. S. 18, 52.
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