Claude Monet
Der Hafen von Le Havre am Abend, 1872
Aktuell ausgestellt
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Öl auf Leinwand, 60 x 81 cm
Signiert unten rechts: Claude Monet
Inv.-Nr. MB-Mon-04
In London hatte Claude Monet den größten Hafen der Welt gesehen. Kurz nach seiner Rückkehr malte er in Le Havre, wo er seine Jugend verbracht hatte, das Bild Impression, Sonnenaufgang – sein bis heute wohl bekanntestes Gemälde, mit der er sich auf der ersten Impressionisten-Ausstellung 1874 in Paris hervorgetan hatte. Vom selben Blickpunkt aus malte Monet als Pendant diese Nachtszene in der gleichen skizzenhaften Vehemenz. Weiße Farbtupfen stehen für die moderne Gasbeleuchtung.
Seine Kindheit und Jugend hatte Monet in Le Havre verbracht – einer Stadt in der Normandie, die den zweitgrößten Hafen Frankreichs beherbergte. Sowohl die pittoreske Felsenlandschaft entlang der nordfranzösischen Atlantikküste als auch die Hafengelände der wirtschaftlich aufstrebenden Region nahm er motivisch immer wieder in den Blick. Der Hafen von Le Havre am Abend entstand 1872 als Pendant zu Monets Schlüsselwerk Impression, Sonnenaufgang (1872, Musée Marmottan Monet, Paris), mit dem er 1874 auf der ersten Impressionisten-Ausstellung auf sich aufmerksam machte. Aufgrund der skizzenartigen Malweise ist das Sujet des von künstlichem Licht erhellten Industriehafens zunächst kaum auszumachen.
Anhand historischer Photographien sowie der Dokumentation zur Installation der Beleuchtung in Le Havre lässt sich nachvollziehen, dass der Maler die Umrisse der Hafenanlage mit topographischer Präzision umgesetzt hat. Bei den zwei weiß leuchtenden Punkten in der linken oberen Bildhälfte handelt es sich um sogenannte Topplichter, die für Dampfschiffe vorgeschrieben waren und bei klarem Wetter auch bei tiefster Nacht aus weiter Ferne zu erkennen waren. Deutlich sichtbar sind auch mehrere rote Lichter, darunter eines am Ende des südlichen Landestegs sowie zwei Seitenlichter auf in Fahrt befindlichen Booten. Bei der Reihe horizontal in gleichmäßigen Abständen angeordneter weißer Punkte im Hintergrund handelt es sich hingegen um Gaslaternen, die ab 1869 installiert worden waren. Das Flackern dieser hochmodernen Lichtquellen und ihre Reflexionen auf der leicht bewegten Wasseroberfläche sind das eigentliche Thema dieser stilistisch radikalen Arbeit – während sich Monet in dem zeitgleich entstandenen Werk Impression, Sonnenaufgang mit dem sich langsam ausbreitenden, rötlichen Schimmern über dem morgendlichen Hafengelände auseinandergesetzt hat. Trotz der abstrakt wirkenden Bildsprache spiegeln beide Arbeiten Monets Ringen um eine authentische Wiedergabe des Motivs bei spezifischen Witterungsverhältnissen und Lichtstimmungen.
In Monets Œuvre von mehr als 2000 Gemälden sind außer diesem Werk nur vier weitere Nachtszenen dokumentiert: das Gemälde Eine Meereslandschaft, Schifffahrt im Mondschein (um 1864, National Galleries of Scotland, Edinburgh) sowie drei nächtliche Ansichten des Leicester Square in London, die um 1900/01 entstanden.
In dem von Daniel Wildenstein erstellten vierbändigen Catalogue raisonné zu Monets Gemälden ist Der Hafen von Le Havre am Abend mit der Werkverzeichnis-Nummer 264 versehen (Bd. 2, S. 114). Wie Impression, Sonnenaufgang ist es dort auf 1873 fehldatiert.
Daniel Zamani
Cl. Monet, Goupil Gallery, London, April–Mai 1889, Nr. XV
VIII. Jahrgang. I. Ausstellung. Kollektion Claude Monet, Paul Cassirer, Berlin, 1.10.–10.11.1905, Nr. 15 (Nacht, 1873)
Exposition (du Havre), Hôtel de Ville, Cercle de l'art moderne, Le Havre, Mai–Juli 1906, Nr. 68
Hamburg, 1910
Exposition des Beaux-Arts, Düsseldorf, April–Dezember 1913
From Realism to Symbolism, Whistler and His World, Wildenstein, New York, 4.3.–3.4.1971; Museum of Art, Philadelphia, 15.4.–23.5.1971, Nr. 105
Claude Monet, 1840–1926, The Art Institute of Chicago, 22.7.–26.11.1995, Nr. 30
Claude Monet, Österreichische Galerie Belvedere, Wien, 14.3.–16.6.1996, Nr. 17
Impression. Painting Quickly in France 1860–1890, The National Gallery, London, 1.11.2000–28.1.2001
Monet 1840–1926, Musée d'Orsay; Galeries nationales du Grand Palais, Paris, 20.9.2010–24.1.2011
Impression, soleil levant. L'histoire vraie du chef-d'œuvre de Claude Monet, Musée Marmottan Monet, Paris, 18.9.2014–18.1.2015, Nr. 38
Impressionismus. Die Kunst der Landschaft, Museum Barberini, Potsdam, 21.1.–28.5.2017
Claude Monet: The Truth of Nature, Denver Art Museum, 20.10.2019–2.2.2020
Monet. Orte, Museum Barberini, Potsdam, 22.2.–19.7.2020, Nr. 15
Nuits électriques, Musée d’art moderne André Malraux, Le Havre, 3.7.–1.11.2020
Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner, Museum Barberini, Potsdam, vom 5.9.2020 an
Mai
1876 oder Januar 1877, Georges Charpentier, Paris, vom Künstler erworben
1897, Galerie Durand-Ruel,
Paris
1897, Edmond Décap, Paris
15.4.1901, Hôtel Drouot,
Paris, Sammlung Décap, Los 16
Galerie Durand-Ruel, Paris,
erworben auf o.g. Auktion
1915, P. Esterez
o.D., Coince
9.6.1928, Hôtel Drouot,
Paris, Sammlung Coince, Los 72
M. Cahen-Brisac, Paris,
erworben auf o.g. Auktion
26.5.1950, Hôtel Drouot,
Paris, Los 108
um 1968, Mr. und Mrs. William
Falencki, USA
15.11.1988, Christie’s, New
York, Los 18
Privatsammlung, erworben auf o.g.
Auktion
Februar 2016, erworben aus Privatbesitz
Hermann Springer: Von bildender Kunst, in: Deutsche Tageszeitung 500 (24.10.1905)
Oscar Reuterswärd: Monet. En konstnarhistorik, Stockholm 1948, Abb. S. 67
From Realism to Symbolism, Whistler and His World, Ausst.-Kat. Wildenstein, New York 1971, Abb. Tafel 39
Daniel Wildenstein: Claude Monet. Biographie et catalogue raisonné, Bd. 1, Lausanne 1974, Nr. 264, S. 226, Abb. S. 227
Daniel Wildenstein: Claude Monet. Biographie et catalogue raisonné, Bd. 5, Lausanne 1991, S. 27
Claude Monet, Ausst.-Kat. Österreichische Galerie Belvedere, Wien 1996, Nr. 17
Daniel Wildenstein: Monet. Catalogue Raisonné. Werkverzeichnis, Bd. 2, Köln 1996, Nr. 264, S. 114, Abb. S. 114
Bernhard Echte und Walter Feilchenfeldt (Hrsg.): Kunstsalon Paul Cassirer. Die Ausstellungen 1905–1908, Bd. 3, Wädenswil 2013, Abb. S. 45
Impression, soleil levant. L'histoire vraie du chef-d'œuvre de Claude Monet, Ausst.-Kat. Musée Marmottan Monet, Paris 2014, Nr. 38, S. 74–76, Abb. S. 75, 84
Impressionismus. Die Kunst der Landschaft, Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam 2017, Nr. 11, Abb. S. 103
Monet. Orte, Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam 2020, Nr. 15, S. 81, 256, Abb. S. 97
Nuits électriques, Ausst.-Kat. Musée d’art moderne André Malraux, Le Havre 2020, Nr. 3, S. 28, Abb. S. 30 f.
Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner, Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam 2020, S. 75, 170, 182, 268, Abb. S. 76 f., 268
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