Henri Le Sidaner
Fenster mit Nelken, Gerberoy, 1908
Aktuell ausgestellt
Link kopieren
Öl auf Leinwand, 100 x 81 cm
Signiert unten rechts: Le Sidaner
Inv.-Nr. MB-Les-01
Der Blick aus dem Haus des Künstlers führt in den Garten. Ein gedeckter Tisch vor geöffnetem Fenster war eines der Lieblingsmotive von Henri Le Sidaner, das er in etwa 80 Gemälden variierte. Mit dem Erzählerischen, der melancholischen Stimmung und der gedämpften Tonalität hat sich Le Sidaner von seinem Vorbild Claude Monet entfernt.
Henri Le Sidaner entwickelte seine reife Bildsprache im Frankreich des späten 19. Jahrhunderts. Der 1862 auf Mauritius geborene Künstler war im Alter von etwa 20 Jahren an der prestigereichen Académie des Beaux-Arts in Paris aufgenommen worden und trat zwei Jahre später als Schüler in das Atelier des Malers Alexandre Cabanel ein. Zugleich setzte er sich mit dem Stil der Impressionisten und Neoimpressionisten auseinander, deren Zergliederung der Bildfläche in einzelne Farbtupfen für sein Werk charakteristisch werden sollte. Einen Wendepunkt in Le Sidaners Schaffen markierte sein Umzug in das mittelalterliche Dorf Gerberoy – etwa 65 Kilometer nordwestlich von Paris –, wo er ab 1901 ein altes Gut mietete, das er drei Jahre später erwerben sollte. In der Folge nahm er umfangreiche Um- und Anbauten an dem Gehöft vor und erweiterte das Grundstück um einen reich bepflanzten Blumengarten im englischen Stil. Ähnlich wie sein Vorbild und älterer Malerkollege Claude Monet in Giverny kümmerte er sich selbst um die Anlage und farbliche Gestaltung des Gartens, den er als Kulisse für seine Malerei inszenierte.
Fenster mit Nelken, Gerberoy entstand 1908 und zeigt den Blick von Le Sidaners Speisezimmer in den Innenhof des Guts, in dem er einen aufwendigen Blumengarten angelegt hatte. Trotz der diffus wirkenden Bildgestaltung mit dem für den Stil des Pointillismus typischen Farbflirren sind die Texturen des Arrangements auf dem Tisch im Vordergrund mit Präzision erfasst – ebenso die schimmernde, zentral platzierte Blumenvase und die geöffneten Fensterflügel, deren Glas die Grüngelbtöne der Vegetation reflektiert. Die perspektivische Sogwirkung, die das prominent in Szene gesetzte Fenstermotiv entfaltet, wird noch durch die diagonale Flucht des Gartenwegs gesteigert. Wie bei vielen von Le Sidaners Kompositionen mit Blick nach draußen schwingt auch hier die tradierte Vorstellung von der Malerei als „Fenster zur Welt“ sinnbildlich mit. Zugleich erlaubte das Sujet eine Grenzüberschreitung zwischen den Gattungen des Interieurs und der Landschaftsmalerei, mit der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Künstlerkollegen wie Henri Matisse und Pierre Bonnard beschäftigten.
Daniel Zamani
Société Nouvelle, Galerie Georges Petit, Paris, 1909, Nr. 78
Impressionismus. Die Kunst der Landschaft, Museum Barberini, Potsdam, 21.1.–28.5.2017
Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner, Museum Barberini, Potsdam, vom 5.9.2020 an
o.D., Galerie
Georges Petit, Paris, vom Künstler erworben, Inv.-Nr. 4214 und 8741
1909, M.
Olive, Nantes
o.D.,
Galerie Lorenceau, Paris
o.D.,
Hammer Galleries, New York
1967, Dr.
und Mrs. Armand Hammer, Los Angeles
o.D., The
Armand Hammer Foundation
o.D.,
Nacol Fine Art, Pebble Beach
August
2011, Kunsthandel
Le Figaro Artistique (24.1.1929)
Camille Mauclair: Henri Le Sidaner, Paris 1928, S. 29
Yann Farinaux-Le Sidaner: Le Sidaner. L'œuvre peint et gravé, Paris 1989, Nr. 230, S. 112, Abb. S. 112
Henri Le Sidaner en son jardin de Gerberoy, 1901–1939, Ausst.-Kat. Musée Départemental de l'Oise, Beauvais 2001, S. 88, Abb. S. 88
Impressionismus. Die Kunst der Landschaft, Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam 2017, Nr. 63, S. 175, Abb. S. 185
Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner, Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam 2020, S. 267, Abb. S. 50, 267
Video
Barberini Audioguides
Haben Sie Anregungen oder Fragen?
sammlung@museum-barberini.de.